Keine Sendung hat in den letzten Jahren so polarisiert. Die “Am Schauplatz” Folge über die letzten Arbeiter hat tief in offene Wunden gedrückt. Wunden die bereits vor Jahrzehnten aufgerissen wurden und bis heute nur schwer oder gar nicht verheilt sind. Klar wurde durch die Zerschlagung der Verstaatlichten Platz für kleinere innovative Industrienahe Betriebe geschaffen, dennoch hat die Anzahl der im sekundären Sektor Beschäftigten deutlich abgenommen. Dies ist kein Spezifikum von Mürzzuschlag. Die gesamte obersteirische Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren von ihrer Geschichte und der stolzen Arbeiterschaft verabschiedet, wandte sich konsumbefriedigend hin in Richtung Dienstleistungen, die nicht im selben Ausmaß gedeckt werden können. Bis vor 20, 30 Jahren gab es hier noch mehrere Bastionen. Gewerkschaft, Bude und Sozialdemokratie bildeten eine Einheit die uneinnehmbar schien. Man war stolz auf seine Bewegung, man schämte sich nicht am 1. Mai das Lied der Arbeit zu spielen und trotz Zwang, das Parteibuch bei Arbeitsantritt anzunehmen stand man hinter dieser Entscheidung bis zum Lebensende. Diese Zeiten schienen vorbei. Viele Pensionistinnen und Pensionisten trauern dieser Zeit nach. War es doch jedes Jahr besser geworden. Nach einem gemeinschaftlich gebauten Haus konnte auch noch ein Familienauto angeschafft,  vermehrt Urlaube auch außerhalb von Österreich und Lignano gemacht werden und die Grenzen öffneten sich noch weit vor Schengen. Der Arbeiter aus Mürzzuschlag war ein angesehener Mensch.

rudischer

Wenn man heute mit unserer älteren Generation redet, äußern sie berechtigte Sorgen um ihre Nachkommen. Weder die Partei, die Gewerkschaft, noch der Betriebsrat können Arbeit verschaffen. Man ist darauf angewiesen, dass einem der Betrieb auch braucht. Ist dies nicht der Fall war es das auch schon wieder mit der persönlichen Verwirklichung. Dies wurde auch in der “Am Schauplatz” Folge mehr als deutlich.

Die Sendung war ein schmerzliches Spiegel vorhalten. Es war ein etwas eigenwilliger Spiegel, zeigte er doch zum größten Teil nur die negativen Seiten der Stadt, doch er zeigte eben einen Teil der Wirklichkeit. Zwischen sachlichen, objektiven Fakten und Erfolgen, wie dem entstandenen Gewerbepark in Hönigsberg, dem Ausbau am LKH Gelände oder der Innovationskraft von Böhler Bleche und dem subjektiven Empfinden der Menschen liegen augenscheinlich Welten. Welten die es von der Politik erfordern zusammengebracht zu werden. Politik betreiben heißt aber trotzdem nicht wie früher alles für einen zu erledigen. Job und Wohnung zu besorgen, diese Zeiten sind vorbei. Möglicherweise hat dies auch mit der spürbaren Unzufriedenheit zu tun, dass all dies nicht mehr so einfach zu bekommen ist, auch wenn man den Bürgermeister kennt. Politik war anscheinend schon mal leichter.

Eines hat dieser Spiegel in all seinen Facetten dennoch gezeigt und dies sollte als große Chance verstanden werden. Es gibt da noch so etwas wie diesen alten Arbeiterstolz! Den Stolz auf das Erarbeitete, den Stolz auf´s Werk, seine Stadt und seine Region. Es waren weniger die interviewten Personen, sondern eher die zahlreichen Kommentatoren (zu denen auch ich gehöre) die dieses kleine Pflänzchen unter dem Schutt vergangener Zeiten frei geschaufelt haben. Die plötzliche Mentalität des “denen zeigen wir es aber” könnte gerade jetzt zu einem Schwung werden, der in seiner letztendlichen Ausprägung ein neues Heimatgefühl auslöst. Ein Gefühl, dass trotz aller Probleme und trotz aller äußerlichen Einflussfaktoren aufrecht ist. Positiv in den Köpfen der Menschen und positiv auch in den Einstellungen zur Stadt, zur Region und zum Leben selbst. Denn es macht mental einen Unterschied ob man den Kopf senkt und das negative am Boden betrachtet oder ob man mit erhobenen Haupt, Blickrichtung Himmel, positiv in die Zukunft blickt.